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Vorwort Marokko ‘85

Worin wir lernen. einen Plan zu fassen

Der Roller als Packesel

Aufbruch ins Ungewisse

Tanken - schon ein Abenteuer

Leistungsschwächen - nicht nur beim Roller

Schlafsäcke - wie in Abrahams Schoß

Schlangenbissset - was ist das?

Ein Popper auf Abwegen?

Der erste Grenzübertritt

Spanien - bei Nacht und Regen

Schnorcheln am Kap - nur für Temperatur- unempfindliche

Aus Liebe zum Gefährt: große Inspektion

Sommer, Sonne und die frische Briese der Chemie

Ja zum Luxusbett - aber bitte transportabel

Sierra Nevada - Amerika in Europa

Die Straße von Gibraltar

Goldbarren oder Dirham? Reisefinanzen

Tarifa, ein Strand- und Surferparadies

Zum Leidwesen des Gourmets: Kocher und Kochen

Das sprichwörtliche "Dach über dem Kopf"

Ein Affe mehr auf Gibraltar

Nur ein paar Seemeilen

Nepp oder Not?

Reisegeheimnis: Papiere und Geld

Endlich "auf See"

Grenzverkehr

Ein netter Student

Der Elefant auf dem Teppich 

Glück im Unglück

Vom Baume der Erkenntnis

Grell, hell und laut

Hohe Luftfeuchtigkeit in Meknes

Nächtliche Inspektion der Toilettenhäuschen oder Hollywood in Meknes

Reisezeit - kommt Zeit, kommt Rat

Afrikanische Sonne

Letzte Rauchzeichen

Fremdenführer - ein offizieller natürlich

Ein “Verrückter” aus München

Technik - Wartung - Sprache: ein Regelkreis

Waschtag

Wiedersehen macht Freude

Rangerausbildung in Midelt

Treffpunkt: Tunnel der Legionäre

Kleider machen... Motorradfahrer

Die erste Oase

Ein Bayer im Fahrradrausch

An den blauen Quellen

Lockruf der Sahara

Die freie Improvisation oder die hohe Kunst des Schweißens

Das richtige Pülverchen zur „schlechten“ Zeit

Von Fliegen und anderen „Wüstentieren“

Abschied in Meski

Allein in die Wüste

Hilfeleistung kann teuer werden

Erlebte Endlosigkeit

Ein Tuareg ohne Kamel

Die Todrhaschlucht

Geteiltes Leid

Hollywood in Quarzazate

Bezwingung des Hohen Atlas

Marrakesch - verlorener Zauber

Der Schwarzwald Marokkos

Endlich Urlaub!

As time goes by...

Casablanca

Abflug Casa, Landung im Graben

Heimkehr-Marathon

Resümee

Regen in Meknes

 

Hohe Luftfeuchtigkeit in Meknes

Ich war also gerade den drei "Fremdenführern" entkommen. Zugegeben, von dem coolen Weltreisenden war einiges auf der Strecke geblieben. Schweißnass knatterte ich ohne bestimmtes Ziel auf der schmalen Landstraße, ließ mir den warmen Wind um die sicherlich weiße Nase wehen und spielte ernsthaft mit dem Gedanken Marokko wieder zu verlassen. Doch der blaue Himmel, das heiße aber gleichzeitig angenehme Klima ließen mich weiterfahren, weiter ins Landesinnere.
Über Chechaouen kurvte ich nach Quezzane. Hier tankte ich noch einmal den Roller voll, was mich von dem umständlichen Abladen des Armeekanisters befreite. Die P28, so wird die von mir benutzte Landstraße in den Karten bezeichnet, führte mich bis zum Col du Zegotta. Vor Erreichen dieses Punktes kam ich noch an einer Unfallstelle vorbei, an der ich mich von dem guten Allgemeinzustand der marokkanischen Fahrzeuge überzeugen konnte: ein Tankwagen mit x-fach geschweißtem Tank, nur noch einseitiger Beleuchtung und durchgerosteter Karosserie und einem ebensolchen Chassis lag mit durchgerissenen Bremsseilen im Graben. Der Fahrer und einige Feldarbeiter standen grinsend vor dem Fahrzeug und betrachteten mich wohlwollend. Aufgrund meiner mangelhaften Fremdsprachenkenntnisse konnten wir uns leider nur mit Händen und Füßen verständigen - doch auch diese Methode ist in vielen Fällen, beiderseitiger Verständigungswille vorausgesetzt, von Erfolg gekrönt.
Zur Sprache allgemein: wer nur wegen seiner geringen oder völlig fehlenden Sprachkenntnisse betreffs seines Urlaubsplanlandes eine Fahrt dorthin unterlässt, ist wirklich zu bedauern. Ist der Konversationspartner nicht bereit, einen verstehen zu wollen, nützen auch beste Kenntnisse der Landessprache nichts.
Ich machte mich jedenfalls wieder auf den Weg. An der Kreuzung der nach Fez führenden Landstraße Nr.4 und der nach Meknes gerichteten Nr.28 nahm mir ein mich schneidender PKW die Entscheidung über die Richtung der Weiterfahrt ab: mein anfänglicher Schlenker in Richtung Fez endete auf der 28. Die einbrechende Dunkelheit veranlasste mich, schnellstens Meknes anzulaufen, um ja nicht auf diesen eh schon gefährlichen Straßen auch noch nachts fahren zu müssen. Doch diesem Schicksal sollte ich nicht mehr entkommen. Wer jemals mit einem Motorrad auf marokkanischen Straßen gefahren ist, kann den Grund meiner Fahrtverzögerung leicht verstehen: in vielen Kurven findet sich Rollsplitt oder von LKW verlorene Ladung in Form von Baumaterialien unterschiedlichster Art. Zudem verzieren nahezu kreisrunde Schlaglöcher von ca. 50-100cm Durchmesser die Asphaltdecke. Über den Ursprung dieser merkwürdigen Löcher kursieren die unterschiedlichsten Geschichten. Böswillige Stimmen behaupten, diese Löcher seien eigens als Motorradfallen in nächtlichen Sabotageaktionen seitens der Marokkaner in den Boden gemeißelt worden.
Mein kleiner Scheinwerfer war jedenfalls hoffnungslos überfordert, noch dazu bei zügiger Fahrt, die Fahrbahn ausreichend zu erhellen. Mir blieb also nur die Möglichkeit, meine Geschwindigkeit den Bedingungen anzupassen: 20-30 km/h erschienen mir schon fast etwas zu schnell zu sein, zumal die mich überholenden und mir entgegenkommenden Fahrzeuge keine Rücksicht zeigten, sondern stets meine Fahrbahnseite voll mitbenutzten. Dennoch war meine langsame Kurverei von Erfolg gekrönt. Gegen 22.30 Uhr, am 22.Mai.1985, erreichte ich die Stadtmauern Meknes’. Wer sich für die genauen Örtlichkeiten um und in Meknes interessiert, der sei an die mit farbigen Bildern geschmückten Reiseführer verwiesen. Nur soviel: Meknes gehört sicherlich zu den reizvollsten Königsstädten Marokkos. Zu diesem Schluss bin ich gekommen, nicht weil in Meknes die schönsten Gebäude und die feinsten Kunstgegenstände des Landes zu finden sind, sondern weil Meknes vom Massentourismus weitestgehend verschont geblieben ist. Aus diesem Grund wird man hier auch nicht permanent und penetrant von den schon zuvor genannten Schleppern, Verkäufern und "Studenten" belagert. Diese bleiben hier noch, auch nach energischen Abschüttelungsversuchen, relativ freundlich. Man lebt hier nach dem Motto: "Du Gauner, ich Gauner, nix Geschäft!"
Zurück zu meiner "Landung" in dieser Stadt. In einem Führer hatte ich gelesen, dass Meknes den wohl schönsten Campingplatz Marokkos aufzuweisen hat. Wenigstens ein Trost nach diesem anstrengenden Tag, so dachte ich damals. Es galt nun diesen Traumplatz aufzusuchen, um endlich die verdiente Nachtruhe finden zu können. Ich fragte also den nächsten Einheimischen nach dem Campingplatz. Sofort bot sich dieser an, mir den Platz zu zeigen. Da er keinerlei Fahrzeug zur Verfügung hatte, wollte er auf einem meiner Seesäcke platznehmen. Die vor einigen Stunden erlebte Stadtführung durch Tetouan saß mir noch in den Knochen. Spontan drehte ich am Gasgriff, um dieser weiteren Tagesführung zu entgehen. Der Marokkaner blieb wütend und gestikulierend zurück. Ich versuchte es noch einmal bei einem Straßenhändler, doch auch dieser wollte mich persönlich führen, keinesfalls bereit, mir den Weg aufzuzeichnen oder sonst wie zu erklären. Ich beschloss, so ­lange herumzufahren, bis ich den Platz nach dem Zufallsprinzip gefunden hatte. Nach fünfzehnminütiger Hoppelei über pistenähnliche Dorfstraßen erblickte ich eine mit großen, weißen Kuppelzelten zugestellte Fläche. Freudig schlug ich den entsprechenden Weg ein. Dort angekommen wurde ich ungläubig bestaunt, erhielt auf meine Frage, ob ich denn jetzt endlich den Campingplatz gefunden hätte, lediglich ein verneinendes Kopfschütteln. Ich konnte auch nach längerem Suchen und Spähen kein europäisch anmutendes Zelt oder gar Wohnmobil entdecken. Sollte ich etwa der einzige mit einem Zelt ausgerüstete Urlauber sein? Und vor allem: wer waren die geheimnisvollen Bewohner der Kuppelzelte?
Ich wendete meinen Roller und verließ diesen mir Rätsel aufgebenden Ort. In einer Seitengasse unterhielten sich gerade angeregt zwei in feine, kunstvoll bestickte Gewänder gehüllte Mädchen. Und siehe: mit charmantem Lächeln wiesen sie mir den Weg, zeichneten einige unmissverständliche Linien in den Sand und erfreuten sich sichtlich meiner Anfrage. Sollte es doch noch jemand gut mit mir gemeint haben?

 

Wo geht’s denn hier zum Camping?

 

Nach einigen labyrinthähnlichen Gassen stand ich tatsächlich vor dem Eingang eines echten Campingplatzes. Ganz nach europäischem Muster musste ich meinen Pass abgeben und mich entsprechend in die "Bücher des Hauses" eintragen. Anschließend passierte ich mit meinem Vehikel den eigentlichen Eingang. Im schwachen Licht der Platzbeleuchtung erkannte ich einige französische Wohnwagen und Autos, dann, zu meiner großen Freude, einen Geländewagen mit Bremer Kennzeichen. Zu diesem Wagen gehörte ein freundliches und marokkoerfahrenes Ehepaar, das mich herzlich empfing. Nach kurzem Informationsaustausch bekam ich gleich die ersten sicherlich gut gemeinten Ratschläge auf den Weg: "Bau nur Deine Liege auf und lege Dich für diese Nacht in den Schlafsack. Das reicht für marokkanische Nächte voll und ganz aus. Du bist jetzt schließlich in Afrika!" Doch bevor ich diese Aktion einleitete, kam ich erst einmal in den Genuss meiner ersten echt marokkanischen Speise, Targine, die ich in dem auf dem Platz befindlichen "Restaurant" zu mir nahm. Der dort arbeitende Marokkaner war überaus freundlich und bereitete mir trotz der vorgerückten Stunde eine ungewohnte, aber dennoch schmackhafte Speise. Auch eine, mit Fühlerwerk, gut zehn Zentimeter großen Kakerlake konnte mich jetzt nicht mehr stören. Kaum hatte der "Ober" das Tier entdeckt, nahm er das in einen schweren Goldrahmen gefasste Konterfei des marokkanischen Königs Hassan II. von der Wand, um es schmunzelnd mit ziemlicher Wucht auf das Insekt zu schlagen. Nach lautem Knacken fiel diese von der Wand, lief jedoch auf dem Boden, vom Absturz ungerührt, genau zu mir herüber, stoppte noch einmal, erkannte wohl den Ernst der Lage und verschwand in einer Wandritze. Der Marokkaner zuckte entschuldigend die Schultern. Ich verließ das Lokal und wankte schlaftrunken zu meiner Liege. Kaum hatte ich mich hingelegt, als einige Regentropfen mein Gesicht trafen. Es setzte leichter Nieselregen ein, den ich Anfangs für eine Halluzination hielt. So entschlief ich diesem widrigen Tag.

 

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