Hollywood in Quarzazate
Den Campingplatz in Quarzazate erreichte ich ohne lange suchen zu müssen.
Christian hatte jetzt bestimmt noch fünfzehn Kilometer vor sich. Verwundet in Staub und Hitze musste er sich vorwärtsackern. Doch immer wenn sich jemand erbarmen wollte, ihn im Auto samt Fahrrad und Gepäck
mitzunehmen, hatte er abgelehnt. Nein, die Strecke müsse er schon selbst zurücklegen. Um es vorwegzunehmen: er sollte sich bald untreu werden. Nachdem ich mein Zelt aufgebaut und es mir halbwegs gemütlich
gemacht hatte, brach ich zu einer kurzen Stadtbesichtigung auf. Das Erste, das mir auffiel, waren die zahlreichen Gerüste und Scheinwerferanlagen, die in der gesamten Altstadt verteilt waren. Richtig: meine alten
Bekannten aus Meknes hatten ihren Standort gewechselt und drehten ihren Abenteuerfilm nun in Quarzazate weiter. Die Welt ist klein. Als ich in mein Camp zurückkehrte, hatte Christian schon geduscht und ebenfalls
seine Einmannröhre aufgebaut. Wir versorgten seine Wunden und er berichtete von seinen Reiseerlebnissen. Ein freundlicher Herr hatte ihn in Quarzazate angesprochen und gebeten, ihm in Casablanca, sofern er dort
vorbeiradeln würde, einen Besuch abzustatten. Er hatte Christian eine Visitenkarte hinterlassen, die ihn als höheren Angestellten der Lufthansa auswies. Natürlich wollten wir über Casablanca nach Hause
fahren. Was wäre schon ein Marokkourlaub ohne einmal in „Casa“ gewesen zu sein? Wer denkt da nicht sofort an Humphrey Bogart, Ingrid Bergmann und an das unvermeidliche „Ich seh’ dir in die
Augen, Kleines“? Nun hatten wir schon eine Adresse in dieser Traumstadt! Was wollten wir mehr? Gänzlich andere Abenteuer sollten aber noch vor uns liegen. Marrakech war die nächste Station auf unserer
Rundreise. Christian ließ sich von Horst, einem mit Wohnmobil und zahlreichem technischen Equipment ausgerüsteten Ingenieur, dazu überreden, seine Weiterfahrt per Auto fortzusetzten. Auch mir bot er an, mein
Gepäck bis Marrakech mitzunehmen. Ich lehnte dankend ab, wollte ich doch keine Minute meine Freiheit beschneiden. Wer weiß, vielleicht gelüstete es mich im hohen Atlas ein oder zwei Tage verweilen? In diesem Fall
hätte ich erst wieder hinter meinem Gepäck herrennen müssen. Ganz allgemein kann ich nur davon abraten, sich in irgendein Abhängigkeitsverhältnis hineinzumanövrieren. Das gilt nicht nur für den Transport
von Gepäck, sondern auch für verabredete Treffen. Denn macht man einen gemeinsamen Treffpunkt aus, so muss man dort auch erscheinen, will man vermeiden, dass von Seiten des Partners bei Nichterscheinen
umfangreiche Suchaktionen gestartet werden. Vielleicht begegnet man sich ja einmal durch Zufall.
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