Da wir die Aluheringe nicht malträtieren wollten, uns außerdem die Hitze, die in einem Zelt herrschen musste, abschreckte, machten wir erst gar keine
Anstalten eines aufzubauen. Christians Thermomatte und meine Liege plus unserer Schlafsäcke sollten für die Nacht genügen. Beim Anblick diverser in den Mauern des Platzes beheimateter Kriechtiere freute ich mich
noch einmal über meine Liege, hielt diese mich doch immerhin gute zehn Zentimeter vom Boden entfernt. Doch auch Christian hatte keine nennenswerten Probleme mit Würmern, Schlangen und Insekten, obwohl er ja fast
direkt auf dem Boden lag. Gemeinsam widmeten wir uns erst einmal dem desolaten Fahrrad, bauten die Achse aus, um sie jedem im Dorf befindlichen Menschen, der nur annähernd etwas mit Mechanik zu tun haben
könnte, zu zeigen. Nach vielen Gesprächen und ebenso vielen Fußmärschen fanden wir endlich ein vergleichbares Ersatzteil. Mit vollem Elan machten wir uns an die Reparatur. Ergebnis: alles lief wieder wie am
ersten Tage. Obwohl sich in meinem Tagebuch nur einige Zeilen zu meinem Mideltaufenthalt finden, habe ich doch viele gute Erinnerungen an dieses Städtchen. Hier hatten wir es zum ersten Mal gewagt, uns ein
Stück Fleisch zu braten. Dies scheint kaum erwähnenswert, doch wenn man die in den Verkaufsständen offen hängenden Keulen und Bratenstücke sieht, die von einem dichten Fliegenteppich umhüllt sind, wird man
vielleicht anders denken. Natürlich hatten auch wir unsere Bedenken und Angst vor Trichinen und anderen Unwägbarkeiten. Daher ließen wir das Fleisch gut durchbraten, sprich, es glich zum Schluss mehr einer
Schuhsohle denn einem Steak. Da wir uns in den letzten Tagen nur noch von Tütennahrung und einem Ramadangebäck - ein in Honig fritierter Teig - ernährt hatten, war dieses zähe Stück Fleisch eine willkommene
Köstlichkeit. Das schönste Erlebnis für den Bayern war zweifelsfrei die Entdeckung einer Bar mit Flaschenbierausschank. Doch das schönste Erlebnis in Midelt war die kostenlose Reparatur meiner Liege. Der
Baumwollbezug war nämlich an den besonders beanspruchten Stellen leicht eingerissen. In einer kleinen Gasse fanden wir eine winzige Schneiderei, dass heißt einen offenen Straßenladen, in dessen hinteren dunklen
Ecken zwei Schneider saßen und ihrem Handwerk nachgingen. Christian dolmetschte mal wieder und die Schneider deuteten auf zwei freie Stühle, auf denen wir Platz nehmen sollten. Es dauerte keine Viertelstunde, da
hatten sie meinen Liegenbezug geflickt. Als wir die Frage nach dem Preis stellten, wehrten beide sofort lächelnd ab. Wir konnten es kaum fassen, ließen ein angemessenes Trinkgeld zurück, bedankten uns mehrfach
und verließen die Schneiderei.. Ich hatte schon während meiner Zivildienstzeit mit dem Berufsstand der Schneider sehr gute Erfahrungen gemacht, so dass ich geneigt bin, den Schneidern eine besondere Warmherzigkeit
und Menschenfreundlichkeit zu unterstellen.
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